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Elekrochemische Mikro- und Nanotechnologie mit dem SECM

Für die Mikro- und Nanotechnologie und auch in der biomedizinischen Forschung sind Verfahren von großer Bedeutung, die es gestatten, Oberflächen mit hoher Ortsauflösung chemisch sensitiv zu lesen (Mikroanalyse) oder gezielt zu strukturieren (Mikrostrukturierung). Dieses aktuelle Kerngebiet der Materialforschung hat sich in den letzten Jahren vom Mikrometermaßstab rasch auf die Nanometerdimensionen ausgedehnt.

Das elektrochemische Rastermikroskop (engl.: Scanning Electrochemical Microscope, kurz SECM genannt) leitet sich von den Rastersondenverfahren wie z.B. der Rastertunnelmikroskopie (STM) ab. Eine Ultramikroelektrode (UME, oder auch Tip genannt) wird im flüssigen Elektrolyten mit Hilfe eines nanometergenauen Piezoantriebes über einer zu untersuchenden Oberfläche verfahren (engl. „scanning“, siehe Abb. 1). Die UME besteht aus einem meist von Glas umhüllten plangeschliffenen mikro- bis nanometerfeinen Edelmetalldraht. Über diese fließt der aus einer elektrochemischen Reaktion mit einem Bestandteil der Lösung resultierende Faradaysche Strom, der die zentrale Meßgröße im SECM-Experiment darstellt.

 

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Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines elektrochemischen Rastermikroskopes

Dieser beinhaltet Information über die Morphologie der Probe, die chemische Zusammensetzung und lokale Reaktivität, die elektrische Leitfähigkeit und weitere Größen. Es erschließt sich die Kinetik an der Substrat- und Tipoberfläche, aber auch die chemischer Reaktionen innerhalb des Elektrolyten. Bei geeigneter Wahl kann das am Tip gebildete Reaktionsprodukt auch dazu genutzt werden, um die Probenoberfläche lokal zu verändern. Polymere und Metalle lassen sich beispielsweise in beliebig geformten Strukturen abscheiden; Metalle und Halbleiter können geätzt werden.

Die durch den aktiven Tipdurchmesser gegebene Ortsauflösung des SECM konnte in einer durch drei Generationen von SECM-Instrumenten gehenden Entwicklung von ursprünglich 10 µm auf derzeit 100 nm gesteigert werden. Dabei umfaßt der apparative Fortschritt die Fertigung sog. „Nanoden“ (º UME < 1 µm) mittels Präzisionslaserziehern und die nanometergenaue, aber großflächige Positionierung durch immer weiter entwickelte Kombinationsantriebe aus Piezo- und Schrittmotoren. Damit die Nanoden ein rauscharmes Stromsignal liefern, müssen die Apparaturen in faradayschen Käfigen auf aktiv schwingungsgedämpften Meßtischen unter Ansteuerung von Potentiostaten mit fA-Auflösung betrieben werden. Zur Annäherung der Nanode an die Substratoberfläche wird diese durch seitlichen Kontakt mit einem Piezokristall zu mechanischen Schwingungen im kHz-Bereich angeregt. Dieser sog. „Shear-Force-Modus“ zeigt im Resonanzfall in der Nähe der Substratoberfläche eine Abstandsabhängigkeit der Eigenschwingung der Nanode.

 

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Abbildung 2: Miniaturisierung von Elektroden mit dem Laserpuller.

Experimente zur elektrochemischen Oberflächenanalyse befaßten sich zunächst mit der Abbildung elektrisch leitfähiger und isolierender Bereiche von lithografisch erzeugten Mikrostrukturen wie z.B. Interdigitalstrukturen, Mikroelektrodenarrays oder Feldern von Mikrozahnrädern. Der Umsatz einer elektroaktiven Spezies (Mediator) und somit der Faradaysche Strom an der UME steigt über einem elektrisch leitfähigen Bereich der zu untersuchenden Oberfläche an, da ein Teil des lokal verbrauchten Mediators regeneriert werden kann (positiver Feedback). Über einer isolierenden Oberfläche kommt es hingegen durch die partielle Abschirmung des nachdiffundierenden Mediators zu einem negativen Feedback. Da diese Effekte abstandsabhängig sind, wurde ein „constant distance modus“ entwickelt, um die elektrochemischen Vorgänge von der Morphologie der Probe zu entkoppeln.

Der Einsatz der verschiedensten Mediatoren wie z.B. Iodid, Hexacyanoferrat, Rutheniumhexamin, p-Benzochinon oder Methylviologen (Paraquat) wurde zunächst an Interdigitalstrukturen auf ihre Abbildungseigenschaften hin untersucht (siehe Abb. 2a).

 

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Abbildung 3a: SECM-Bild einer 2 \265m - Interdigitalstruktur (gelb: Platin, blau: Glas). 3b: SECM-Bild eines Mikroelektrodenarrays. Die hellen Punkte („hot spots“) geben die elektrochemisch aktiven Zentren des Arrays wieder. 3c: SECM-Bild einer angerosteten Eisenoberfläche. An den grünen Stellen ist der Rost abgeplatzt. 3d: SECM-Bild einer µCP-strukturierten Schicht von SAM aus (CH3)(CH2)15-SH (dunkelblau) auf Gold (gelb).

Ein erstes Beispiel im biomedizinischen Bereich bildete die Abbildung der Morphologie von auf Glasträgern immobilisierten lebenden Darmkrebszellen.

Beim Abrastern von speziellen Polymerblends können die Mikropartikel der Komponente aus leitfähigem Polymer (Polypyrrol) von der isolierenden Komponente (Polypropylen) unterschieden werden, während das Lichtmikroskop nur eine homogene Oberfläche zeigte.

Die Veränderung der Sensoraktivität auf der Oberfläche von Chlorgassensoren wurde in-situ, d.h. während einer Chlorgasexposition, zeitlich verfolgt. Dabei konnten sog. „hot spots“ auf dem Sensormaterial ausgemacht und als lokale Orte mit erhöhter elektrochemischer Reaktivität und Umsatz gedeutet werden. Solche „hot spots“ (siehe Abb. 3b) sind auch bei der Korrosionsforschung (siehe Abb. 3c), bei der Lokalisierung enzymatisch aktiver Orte auf biologischen Proben (z.B. Holz) oder bei selbstorganisierenden Monolagen (SAM) als Modellschichten für Biomembranen von großem Interesse. Auf Metallen und Halbleitermaterialien lassen sich diese äußerst stabilen Adsorbate von z.B. Alkan- und Arylthiolen mit hoher innerer Ordnung abscheiden. Mit dem SECM kann man die Eigenschaften der Schichten hinsichtlich ihrer Kettenlänge und der chemischen Funktionen charakterisieren (siehe Abb. 3d). Durch am Tip als Oxidationsmittel generiertes [Ru(bipy)3]3+ können die Thiole lokal desorbiert werden (siehe Abb. 4a). Ferner lassen sich durch Metallabscheidung oder Adsorbtion anderer Thiole an diesen Desorptionsstellen heterogene Strukturen erzeugen.

 

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Abbildung 4a: Mit dem SECM strukturierte SAM. An den gelben Stellen wurde die SAM durch [Ru(bipy)3]3+ desorbiert. 4b: Mikrogalvanisch hergestellte Silberlinie auf Gold. 4c: Silberlinie auf Silberchlorid, erzeugt durch stromlose Abscheidung mit Hydrochinon. 4d: Mikrostrukturen aus Polythiophen auf Braunstein.

Mikrostrukturierungen erfolgen mit dem SECM i.a. „tip-induziert“, d.h. an der UME wird eine reaktive Spezies erzeugt, die entweder direkt oder nach Reaktion mit einem Bestandteil des Elektrolyten mit der Oberfläche reagiert („stromlose Abscheidung“) oder dort galvanisch abgeschieden wird (Mikrogalvanik). Mikrostrukturen aus Silber und Kupfer konnten sowohl galvanisch auf z.B. Gold als auch „stromlos“ auf isolierenden Substraten (Glas, Teflon) erzeugt werden. Für die galvanische Abscheidung wird im Elektrolyten der Aminkomplex des entsprechenden Metalls vorgelegt, durch das Generieren von Protonen an der UME zerstört und so als Aquo-Komplex lokal auf der Goldoberfläche entladen (siehe Abb. 4b).

Für die stromlose Abscheidung wird das Metall in Form einer Precursorverbindung (z.B. AgCl, CuI) als dünne, unlösliche Schicht auf dem Substrat aufgedampft. Am Tip erzeugtes Hydrochinon oder einwertiges Paraquat reduziert den Precursorfilm lokal zu elementarem Metall (siehe Abb. 4c). Dieser kann durch Komplexbildner wie z.B. Thiosulfat unter Zurückbleiben der freistehenden Mikrostrukturen wieder entfernt werden.

 

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Nach dem gleichen Prinzip erfolgt die Mikropolymerisation zur Erzeugung von Strukturen aus leitfähigen Polymeren (z.B. 2´,5´-Bis(1-methyl-pyrrol-2yl)-thiophen (NSN) oder 4,4´-Dimethoxy-bithiophen (DMBT)). Am Tip generiertes Brom oder [Ru(NH3)6]3+ induziert als Oxidationsmittel die lokale Polymerisation auf einem wasserunlöslichen Monomerfilm. In einer Variante wird das Oxidationsmittel (z.B. MnO2) als dünne Schicht auf dem Substrat aufgesputtert. Eine Monomerlösung aus Thiophen kann dann durch tip-induzierte pH-Wert-Verschiebung auf dem Substrat lokal zur Polymerisation gebracht werden (siehe Abb. 4d).

Zur weiteren Steigerung der Ortsauflösung bei der Mikroanalyse wird dem Elektrolyten eine reaktive Substanz (engl.: „scavenger“) zugesetzt, der durch chemische Reaktion das vom Tip generierte Diffusionsfeld des Mediators definiert fokussiert. Durch diese sog. „chemische Linse“ werden auch Mikrostrukturen mit einem schärferen Rand und häufig schmaler als der aktive Tipdurchmesser abgeschieden.

 

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